Was uns antreibt
Die Entwicklung optischer Systeme ist geprägt von dem Trend zu immer kleiner werdenden Produkten, bei denen auf kompaktem Bauraum eine Vielzahl von Funktionen kostengünstig integriert wird. Als Beispiel seien hier Smartphones genannt, welche nicht nur über mehrere extrem flache Kameras für verschiedene Situationen, Display und Näherungssensor sondern teilweise auch über ein Infrarotsystem zur dreidimensionalen Erfassung der Umgebung verfügen. Gleichzeitig ist in Zukunft mit steigender Individualisierung der Produkte bis hin zu kundenspezifischen Einzellösungen zu rechnen.
Diesem Trend begegnen wir unter anderem durch Additive Fertigung von optischen Elementen und Systemen, wodurch ganz neue und kundenindividuelle Lösungsansätze möglich werden. Dabei geht die additive Fertigung leider häufig mit einer limitierten Qualität der entstehenden Produkte einher. Diesen Zielkonflikt zwischen Kosten, Qualität und Funktionalität lösen wir auf, indem wir die Möglichkeiten und Einschränkungen aktueller additiver und konventioneller Fertigungsverfahren, die teilweise im Rahmen von PhoenixD entwickelt werden, in unserer Simulationsumgebung abbilden. Auf diese Weise können wir das optische System und dessen Fertigung zielgerichtet optimieren.
Außerdem sollen in Zukunft während der Fertigung Prozessdaten an die Simulationsumgebung zurück übermittelt werden, um eventuelle Fehler identifizieren zu können. Mit diesem Wissen wird der noch zu fertigende Teil des optischen Systems so optimiert, dass die Fehler möglichst kompensiert werden.
Unsere Forschungsarbeit
Als Arbeitsgruppe Makro-optische Simulation entwickeln wir neuartige Lösungsansätze und Konzepte für optische Bauteile und Systeme an der Schnittstelle zwischen erforderlicher Präzision, geringen Kosten, hoher Individualisierung und Funktionsintegration.
Einerseits betrachten wir höchstpräzise optische Komponenten und Systeme wie Weltraum-Interferometer oder gemeinsam mit der Arbeitsgruppe Mikro- und Nanophotonik leichtgewichtige Reflektoren auf Basis von Nanopartikeln, welche einen Wirkungsgrad von bis zu 100 Prozent aufweisen. Andererseits nutzen wir im Rahmen von PhoenixD bewusst imperfekte Technologien und Fertigungsverfahren zur kostengünstigen Herstellung von hochintegrierten optischen Systemen.
Am Beispiel eines Raman Spektroskops wird sichtbar, dass trotz Restriktionen beim Verwenden additiver Fertigungstechnologien (beispielsweise Inhomogenitäten und Gaseinschlüsse im transparenten Volumen) durch gezieltes Nutzen der damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten (hohe geometrische Gestaltungsfreiheit) hochfunktionale Systeme entworfen werden können.
Die Funktionen Fokussieren des Laserstrahls, Auffangen und Fokussieren der Raman-Rückstreuung und mechanisches Gewinde sind dabei in einem optischen Bauteil integriert. Auf diese Weise entsteht ein System, welches im Vergleich zu konventionellen Lösungen zwar nach aktuellen Ergebnissen eine geringere Sensitivität besitzt, jedoch aufgrund deutlich reduzierter Kosten und Systemkomplexität das Potential zu einer breiten Verfügbarkeit beispielsweise in der medizinischen Diagnostik aufweist.
Diese Ansätze gestalten wir weiter aus, indem wir uns den Lösungsraum zur Gestaltung zukünftiger optomechatronischer Systeme systematisch erschließen. In Kooperation mit der Arbeitsgruppe M2 charakterisieren wir additiv gefertigte Bauteile um Geometrieabweichungen sowie Oberflächen- und Volumeneffekte wie Streuung und Dispersion anisotrop in Abhängigkeit von Fertigungstechnologie und –paramertern erfassen zu können (Abbildung 1).
Die gewonnenen Daten werden generalisiert und in unsere Simulationsumgebungen implementiert, so dass die Auslegung und Optimierung optischer Systeme um die Randbedingungen der additiven Fertigung erweitert werden. Auf diese Weise lassen sich für jede Fertigungstechnologie ideale makroskopische optische Systeme entwerfen. Zudem kann das zum Erfüllen der Anforderungen ideale Herstellungsverfahren identifiziert werden.
Gleichzeitig entwickeln wir analytische Vorgehensweisen, um Startpunkte für die Auslegung und Optimierung optischer Systeme zu definieren, wie in Abbildung 2 am Beispiel eines Kollimationssystems für Strahlungsquellen gezeigt, die als Lambert-Emitter modelliert werden können.
Die nächsten Schritte sind
- das Berücksichtigen von Nachbearbeitungs- und Beschichtungstechnologien der Gruppe M3
- das Implementieren neuartiger Materialien sein einschließlich der Möglichkeit, einige ihrer spezifischen optisch relevanten Eigenschaften gezielt zu aktuieren (Gruppen M1 und S2) und
- die Verknüpfung mit dem menschlichen visuellen Sinn für Systeme, die zur lichtbasierten Kommunikation mit Menschen, beispielsweise im Verkehrsraum, dienen.
Parallel dazu werden zunächst für ausgewählte Anwendungsfälle multiphysikalische Simulationen durchgeführt, um beispielsweise den Einfluss von Temperatur und mechanischer Belastung auf die optischen Eigenschaften von Polymer-Lichtwellenleitern beschreiben zu können.
Darüber hinaus gilt es die Lücke zwischen makro- und nanoskopischen Systemen und Fertigungstechnologien auf der Seite der Simulation zu überbrücken, indem multiskalige Simulationsansätze verfolgt und Fertigungstechnologien wie Zwei-Photonen-Polymerisation in der beschriebenen Weise in die Simulationsumgebung implementiert werden.
Ziel für die nächsten zehn Jahre ist es, gemeinsam mit den anderen Arbeitsgruppen aus dem Bereich Simulation eine Open-Source-Softwareplattform zur Optiksimulation zu etablieren, in welcher die Forschungsergebnisse der Arbeitsgruppen gebündelt und einer breiten wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Ansprechpartner
30419 Hannover